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Sind „castrum Buruncum“, „Vuurne“ und Worringen identisch?
Expertenstreit über Namenszuordnung - Irrtümer und Legenden

Nach dem „Itinerarium provinciarum Antonini Augusti“ (Verzeichnis der wichtigsten römischen Reichsstraßen, das auch römische Niederlassungen angibt) befand sich „Buruncum, auch Burungum oder Boruncum“ genannt, an der Heerstraße von CCAA (Köln)
nach Colonia Ulpia Traiana (Xanten) zwischen Dornomagus (Dormagen) und Novaesium (Neuss). Das spätantike „castellum“ (Kleinkastell) am niedergermanischen Limes, vielleicht zeitgleich mit der Errichtung des Alenkastells (ein Reiterlager) in Dormagen installiert, war mit Grenzsoldaten belegt, die sich aus einer romanisierten Mischbevölkerung rekrutierten. Das Lager bestand aus einem Holzbau mit entsprechenden Unterkünften. Die Familien der Soldaten siedelten sich in unmittelbarer Nähe des Militärlagers an.

                                                 

Die bisherige Forschung ordnete das Kleinkastell „Buruncum“ dem Worringer Ortsnamen zu.
Josef Gödecke (Worringen, Bild eines rheinischen Dorfes, 1970):
„Die früheste Kunde von Worringen erhalten wir durch die Überlieferung des römischen Namens, der im Itinerarium Antonini zum erstenmal als Buruncum auftaucht. Leider liegt aber die Deutung der ältesten Namensformen vielfach noch im Dunkeln, so dass eine einwandfreie Auslegung für Buruncum nicht gegeben werden kann.“
Toni Jägers (Köln-Worringen in Geschichte und Geschichten, 1985):
„Unter den fünfzig festen Plätzen und Kastellen, die Drusus (* 38 v. Chr., + 9 v. Chr.), der Stiefsohn des Kaisers Augustus (31 v. Chr. bis 14 n. Chr.), als feste Verteidigungslinie anlegen ließ, war auch das „castrum Boruncum“ = Worringen. Hier hatten die Römer eine „mutatio“ (Pferdewechselstation) eingerichtet. In den römischen Itinerar-Verzeichnissen der Straßen und Stationen taucht 302 n. Chr. der Name Boruncum für Worringen zum erstenmal schriftlich auf.“
Wolfram Hagspiel - Stadtkonservator, Amt für Denkmalschutz und Denkmalpflege der Stadt Köln (Kirche im Dorf, hrsg. von Gerhard Dane, 1987):
„Zahlreiche römische Architekturteilfunde legen die Vermutung nahe, dass Worringen identisch ist mit dem wohl im 1. Jahrhundert n. Chr. angelegten „castrum buruncum“, das erstmals im „Itinerar Antonini“ (211 bis 217 n. Chr.) namentlich erwähnt wird.“

                                                

Dank einer erheblich verbesserten archäologischen Quellenlage scheint es heute widerlegt zu sein, dass Worringen mit dem römischen Kleinkastell „Buruncum“ gleichzustellen ist. „Buruncum“ wurde den schriftlichen Quellen zufolge 70 n. Chr. gegründet. Die Verknüpfung des Kastellnamens „Buruncum“ mit Worringen erfolgte vor allem aufgrund der Ergebnisse der etymologischen Namensforschung, die den mittelalterlichen Ortsnamen Worunc bzw. Worunch vom römischen „Buruncum“ ableitete. Diese namenkundlichen Zuweisungen halten den neuen wissenschaftlichen Erkenntnissen nicht stand. Als man 1869 die Mädchenschule auf dem Grundstück der St.-Pankratius-Kirche an der „Alte Neusser Landstraße“ errichtete, stieß man auf mächtiges römisches Gussmauerwerk, ein monumentales tuskisches Kapitell und Säulenfragmente. Die Kirche wurde vermutlich über den Ruinen eines Tempels errichtet. Die bisherige Meinung ging davon aus, dass an dieser Stelle das Römerkastell „castrum Buruncum“ stand.

                                                       

Denkbar wäre jedoch indessen eine Verbindung des heutigen „Haus Bürgel“ (erst seit 1373/74 auf der Monheimer Seite des Rheins) mit dem Kastell „Buruncum“. Hierzu gibt es bereits seit dem 19. Jahrhundert längliche Diskussionen zur Lokalisierung. Die moderne Namensforschung nimmt stark an, dass „Buruncum“ nach Lage, Namen und Altertümern das „Haus Bürgel“ ist. In einer Publizierung „Die Deutung alter Ortsnamen am Mittel- und Niederrhein“ von 1870 heißt es längst: „Der Name des röm. „Buruncum“ ist nicht von dem Grundwort „Bur“ = Häuschen, sondern von „Buruc, Puruc“ = Burg abzuleiten. Unter Berücksichtigung vielfältiger Argumente ist das „Haus Bürgel“ (präsentiert sich heute als neuzeitlicher Gutshof) mithin dem althochdeutschen „Burgila-Castrum“ zuzuordnen.“ Exakt beweisen kann man dies allerdings auch nicht, weshalb es sich bei dieser Annahme wiederum um eine hohe Wahrscheinlichkeit handelt. Gegner dieser Meinung haben jedoch letztlich auch nichts Sicheres an der Hand, da für die Standorte nördlich oder südlich von Worringen faktisch nirgends archäologische Zeugnisse oder verlässliche Quellen für das Vorhandensein römischer Militärgeschichte existieren.

                                            

Das spätantike und frühmittelalterliche Worringen findet in der schriftlichen Überlieferung keine Erwähnung. In einer Urkunde vom 11. August 922 (in lateinischer Schrift) des Kölner Erzbischofs Hermann I. (889 bis 924) wird bekundet, dass er den Konventualinnen des von den Ungarn zerstörten Stifts Gerresheim auf deren Bitten die Stiftskirche zu den 11.000 Jungfrauen vor den Mauern Kölns zugewiesen hat, nimmt sie in seinen Schutz, gesteht ihnen das freie Wahlrecht zu und bestätigt u.a. den Besitz der „Edila in Vuurne mansum dimidium“ (die Auslegung „Edila eine halbe Manse in Worringen“ ist eine spätere Deklination). Urkundenstudien hierzu ergaben, dass die Urkunde kein Original ist. Sie enthält als verfälschende Nachzeichnung aus dem letzten Viertel des 11. Jahrhunderts echte und gefälschte Bestandteile, wobei die echten auf Vorlagen aus der 1. Hälfte des 10. Jahrhunderts zurückgehen. Außerdem wird die beigefügte Liste von Schenkungen in Ansätzen angezweifelt. So hatte der an dieser Urkunde tätige Überarbeiter aus dem Gedächtnis formuliert, wobei es zu Vereinfachungen und Ungenauigkeiten kam. Die atypische Schreibweise „Vuurne“, die in der Ortsnamensforschung keine entsprechende Analogie findet, geht dem Anschein nach auf eine fehlerhafte Abschrift der Urkunde zurück.

Worringen wurde erwiesenermaßen erstmals im 12. Jahrhundert beurkundet. In „Regesten“ (Zusammenstellung von Urkundenauszügen) wird die Übertragung der Worringer Vogtei des Grafen Gerhard IV. von Jülich nach seinem Tod an den Kölner Erzbischof Arnold I. von Merxheim (1138 bis 1151) auf das Jahr 1143 datiert. Mit einer Urkunde Kaiser Friedrich I. Barbarossa (* um 1123, + 1190) vom 14. Juni 1153 bekräftigt dieser auf der Reichsversammlung zu Worms, dass der Kölner Erzbischof Arnold II. von Wied (1151 bis 1156) noch als Domprobst (1127 bis 1151) von Erzbischof Arnold I. die „villa Worunch“ für 100 Mark erworben habe.

 

Literaturquellen
Dr. Marcus Trier: „Zur frühmittelalterlichen Topografie von Worringen, Stadt Köln“, Berlin - Kölner Jahrbuch, 40. Band, 2007
Dr. Karl-Heinz Hennen: „Geschichte der Stadt Monheim am Rhein“, Monheim 2016
Hochschulbibliothekszentrum des Landes NRW - „Köln, St. Ursula“, Rhein. Urkundenbuch Bd. 2 / 317 (verfälscht)
Abbildungsnachweise
1, 2 und 3 https://de.wikipedia.org/wiki/Niedergermanischer_Limes
4, 5, 6, 11 und 12 aus privater Sammlung
7, 8 und 9 https://haus-buergel.monheim.de/roemisches-museum/
10 Historisches Archiv der Stadt Köln (HAStK)

Bericht: Manfred Schmidt
heimatarchiv-worringen.de/Oktober 2017