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Straßenname Lievergesberg

 

Über einige Straßen in Worringen lässt sich zur Namensgebung wenig sagen. Selbst das Katasteramt der Stadt Köln kann da nur nach Eintragungen in den Urkarten Möglichkeiten aufzeigen. Das gilt ebenfalls für den Lievergesberg.
Als Folge der Eingemeindung Worringens nach Köln 1922 sind viele Straßen umbenannt worden, da deren Namen in Köln bereits vorhanden waren, oder sie wurden an die neuzeitliche Schreibweise angepasst. Vor der Eingemeindung hieß das vom Mühlenweiher ansteigende Gelände „Livverchesberg“, nach der Eingemeindung „Lievergesberg (Livergesberg, Liefergesberg)“. Die bis in Höhe der Häuser Nr. 49 und 66 in Kurven, dann geradlinig geführte Straße Lievergesberg verläuft von der Hackenbroicher Straße zur Neusser Landstraße. Die früheste Bebauung setzte nach Säkularisation und Versteigerung domkapitularischer Ländereien im Abschnitt der Häuser Nr. 13 bis 23 und 16 bis 32 Mitte des 19. Jahrhunderts ein. Die Tranchot-Karte von 1807/08 zeigt für das Gebiet „Livergesberg nahe dem Städtchen Worringen“ nur geringfügige Gebäude an.

                                                                        

Wie in der Namensforschung angenommen wird, sind viele unserer Orts- und Gewässernamen sehr alt; sie sind die ältesten sprachlichen Zeugnisse überhaupt. Aufgrund ihres Alters gelten sie als eine „alteuropäische“ Sprache, die nach einer frühen indoeuropäischen, aber vorgermanischen und vorkeltischen Wurzel zurückgeführt wird. Zumindest manche Namen dürften sich auf eine real nicht überlieferte, jedoch von der Wissenschaft rekonstruierte indogermanische Ur- bzw. Grundsprache zurückführen lassen, die zeitlich im zweiten und dritten Jahrtausend verortet wird. Möglicherweise haben sich einzelne Namen aus dieser Epoche sogar über die Zeiten der römischen und germanischen Eroberungen hinweg erhalten. Wenn auch die Quellenlage zu dieser Thematik nachvollziehbarerweise beschränkt ist, sind die mundartlich interessanten Namen es wert, erforscht und gedeutet zu werden.
Engagierte Heimatfreunde, insbesondere Josef Gödecke und Toni Jägers, verfassten mit viel Sachkenntnis umfassende Darstellungen über die Vergangenheit Worringens.
Im Heimatbuch „Worringen - Bild eines rheinischen Dorfes“ von Josef Gödecke wird die Namensgebung Lievergesberg wie folgt erläutert: „Liverche oder Livverche ist eine plattdeutsche Bezeichnung für Lerche. Es bedeutet also nichts anderes als Lerchenberg.“
In „Köln-Worringen in Geschichte und Geschichten“ von Toni Jägers wird ergänzt: „Vor der Eingemeindung: Livverchesberg - nach der Eingemeindung: Lievergesberg“.
Nach neuerer Erkenntnis jedoch ist die Namensgebung „Livverchesberg“ gleichwohl mit dem altenglischen Wort „lifer“ (= dick, verschlammt) verwandt, welches wiederum auf uralte gemeinsame indogermanischen Wurzeln verweist. Lievergesberg bedeutet demzufolge so viel wie ansteigende verschlammte Fläche (innerhalb der rheinwassergefüllten Abflüsse).
Beleg aus den Akten der Bürgermeisterei Worringen 1834/35:
„Ankauf einer Parzelle der Pfarrgemeinde Worringen, am Lievergesberger Weg gelegen, zur Anlegung einer Kiesgrube, Genehmigung durch das Generalvikariat Köln.“
Anmerkung: Liverpool in der englischen Grafschaft Merseyside war um 1190 als „Liuerpul“ bekannt, was „schlammiger Pfuhl“ oder „schlammige kleine Bucht“ bedeutet.

                                                            

Der Rhein (lateinisch rhenus, keltisch rhenos, indogermanisch reinos = Fluss) floss nicht immer so, wie wir es heute erleben - darauf weist bereits der Name „Altrhein“ hin. Die gesamte heutige Kölner Bucht ist einst durch den wechselnden Verlauf des Flusses geprägt worden. In unserer Heimat kann man beispielsweise noch Spuren alter Rheinstromarme und Reste der Auwälder entdecken, auch wenn viele von ihnen von Schotter, Sand und fruchtbaren Hochflutbildungen überdeckt wurden und heute nicht mehr erkennbar sind.
Bei den gewaltigen Hochwassern verließ der Rhein jedes Mal sein altes Bett. Es entstanden durch die Sedimentation von transportiertem Gesteinsmaterial aufgrund der abnehmenden Transportkraft des Flusses im ehemals mäandrierenden Rhein ansteigende Flussterrassen. Diese waren seit dem Neolithikum bevorzugte Siedlungsgebiete entlang von großen wie kleinen Flüssen. Sie lagen nahe an den fruchtbaren Flussauen und waren gleichzeitig gegen „starkes Hochwasser“ geschützt. Es ist anzunehmen, dass die Namensgebung des Geländes „Livverchesberg“, gelegen auf der sog. Niederterrasse, darauf zurückzuführen ist. Das Erkennungszeichen spricht vielfach für die Eigentümlichkeit der vorhandenen verschlammten Erhebung.

Der Leser möge nun selbst entscheiden, was unsere Vorfahren letztlich bewogen hat, das Gelände „Livverchesberg“ zu bezeichnen. Vielleicht gibt es aber noch eine dritte Quellengruppe, die für die Frage nach einer römisch-fränkischen Kontinuität Antworten liefern kann.

Literaturquellen
Jahrbuch für den Rhein-Kreis Neuss 2016 (2015) des “Kreisheimatbund Neuss e.V.“
https://de.wikipedia.org/wiki/Flussterrasse
Abbildungsnachweise
(1) Dagmar Hötzel: „Stadtspuren Denkmäler in Köln-Worringen und Roggendorf-Thenhoven, Siedlungsgeschichte bis 1914“, Köln 2002
(2 und 4) Fotos aus privater Sammlung
(3) Archivfoto des „Heimatarchiv Worringen e.V.“
Bericht: Manfred Schmidt

heimatarchiv-worringen.de/April 2017